• Staatsgrenzen

Kurzeinführung

Bis in die jüngste Vergangenheit nahmen die Bürger demokratischer Nationalstaaten die Staatsgrenze als notwendige und – zumindest im Frieden – unabänderliche territoriale Abgrenzung zwischen Staatsvölkern, Hoheitsbereichen und vielfach auch zwischen Kulturkreisen hin.

Viele Staatsgrenzen werden, zumal in Europa, indes kaum noch in dieser Weise wahrgenommen. Dies ergibt sich schon aus der wachsenden Häufigkeit, Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der die Grenzen passiert werden. Viele Grenzgänger erleben Staatsgrenzen heute als artifizielle, mit scheinbarer Beliebigkeit gezogene politische Konstrukte. Diese Veränderung im Wesen von Staatsgrenzen hat allerdings noch nicht zu einem grundlegend neuen politischen Umgang mit dem Staatsgrenzenproblem geführt. Der territorial eindeutig und dauerhaft abgegrenzte Nationalstaat ist der noch immer vorherrschende souveräne Akteur.

Die wachsende Mobilität von Menschen und Gütern ist aber nur ein Anlass von vielen, Sinn und Funktion von Staatsgrenzen radikal zu überdenken. Konflikte um Staatsgrenzen waren bis in die Gegenwart Anlässe der meisten Kriege und Bürgerkriege, auch in demokratischen Staaten. Staatsgrenzen lassen und ließen sich in vielen Fällen nicht so ziehen, dass sich hierüber zwischen den betroffenen Bürgern, Völkern und Regierungen friedenssicherndes Einvernehmen einstellt. In vielen Fällen erzeugt jede politisch erdenkliche Lösung in mindestens einem beteiligten Staat bei mindestens einer dortigen Minderheit Unmut über deren Staatszugehörigkeit. Auch wenn dieses Problem sich durch verbesserten Schutz politischer Minderheiten und durch supranationale Kooperationen entschärfen lässt, sind viele Staatsgrenzen doch konfliktträchtige Konstrukte geblieben.

Dieses Konfliktpotential ließe sich schon dadurch erheblich mindern, dass über Staatsgrenzen in direktdemokratischen Verfahren entschieden würde, wie sie in den unten genannten Buchpublikationen (insbesondere "Die politische Logik der Sezession" und "Freedom, Peace, and Secession") detailliert beschrieben sind.

Ein noch höher entwickelter, sich dem Wandel einschlägiger Bedürfnisse konsequent anpassender Umgang mit der Staatsgrenzenfrage würde mit der Entwicklung eines fortgeschrittenen neokratischen Staatsverständnisses möglich.

Vorherrschend ist aber eher noch die überkommene Vorstellung von Staatsgrenzen als Bollwerken gegen potentiell feindliche Nachbarn. Nach dieser Vorstellung dienen Staatsgrenzen vor allem den (gefühlten) Sicherheits- und Abgrenzungsinteressen der herrschenden Mehrheit eines Staatsvolks. Aus diesen Interessen resultiert das herkömmliche starre Grenzregime, das auf differenziertere Bedürfnislagen keine Rücksicht nimmt.

Solche überkommenen Vorstellungen vom Zweck der Staatsgrenze dürften aber zumindest in nichtkriegerischen Weltregionen zunehmend in den Hintergrund treten. Dies ließe die Chancen steigen, dass über Staatsgrenzen künftig fundamental anders gedacht und entschieden wird als in vergangenen Jahrhunderten. Dann könnten Staatsgrenzen irgendwann so gezogen werden, dass sie den Zusammengehörigkeitsbedürfnissen nicht nur von Mehrheiten, sondern auch von Minderheiten bestmöglich entsprechen. Dann könnte auch darauf Rücksicht genommen werden, dass diese Zusammengehörigkeitsbedürfnisse nicht notwendigerweise in allen Politikbereichen gleich sind; dass also die Bürger sich z.B. für ihren Staat als militärische Sicherheitsgemeinschaft womöglich ganz andere Außengrenzen wünschen als für ihre staatliche Solidargemeinschaft.

Auf die Erfüllung eben solcher differenzierten Zusammengehörigkeits- und Abgrenzungsbedürfnisse von Staatsbürgern sind die neokratischen Staatsformen zugeschnitten.

Essays und Artikel

Bücher

Prämierung des Friedens

Alternativen zum humanitären Krieg, Wiesbaden 1999

Nationalstaat, Solidarstaat, Effizienzstaat

Neue Staatsgrenzen für neue Staatstypen, Darmstadt 1992

Die politische Logik der Sezession

Zu einem neuen Paradigma der Friedenspolitik, Wiesbaden 2018

Freedom, Peace, and Secession

New Dimensions of Democracy, Springer, Cham 2020